Haushaltsrede FDP/FUR Kreistagsfraktion 2023
Sehr geehrter Herr Landrat Prof. Dr. Christian Dusch,
Sehr geehrte Kreistagsmitglieder,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir hatten das vergangene Jahr so hoffnungsvoll begonnen, dann wurden wir von einer neuen Realität eingeholt. Eine Krise wurde und wird von der Anderen abgelöst bzw. überlagert. Corona, Pflegenotstand, Krieg in der Ukraine, Inflation, Transformation, steigende Lebensmittel und Energiepreise, Wirtschaftskrise und Fachkräftemangel.
Dazu kommen weitere regionale Herausforderungen, für die in den kommenden Jahren Lösungen erarbeitet und gefunden werden müssen. Wir erinnern nur an das Problem Anbindung Baden Airpark und damit die Verkehrsbelastung Ortsdurchfahrt Rheinmünster und Hügelsheim, den Ausbau des Autobahnschlusses Rastatt Nord und unsere Zentral-Deponie „Hintere Dollert“ in Gaggenau-Oberweier.
Was unser Müllproblem betrifft hat sich die lineare Wegwerfgesellschaft längst als Sackgasse erwiesen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass am Ende jeglicher Nutzung, möglichst keine Abfälle entstehen oder Ressourcen verschwendet werden, sondern die enthaltenen Rohstoffe optimal zurückgewonnen werden. Wir befürworten den Einstieg in die zirkuläre Wertschöpfung als essenziellen Bestandteil im Kontext der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. So sollten beispielsweise soweit möglich im Straßen- und Wegebau mineralische Recyclingbaustoffe (RC Baustoffe) ausgeschrieben werden, um den Abbau von natürlichen Ressourcen zu verringern. Allerdings kann ein Landkreis einen Transformationsprozess dieser Größe nicht alleine stemmen. Wir brauchen alle lokalen und regionalen Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, sowie kommunaler Politik und Verwaltung, die auf allen Ebenen Parteiübergreifend zusammengeführt werden und sich vernetzen. So sind neue Technologien wie zum Beispiel die Bioabfallvergärung zu prüfen und gegebenenfalls mit anderen Abfall- und Wirtschaftsbetrieben im Rahmen der kommunalen Zusammenarbeit zu erforschen und sich gemeinsam an Studien zu beteiligen.
Deshalb ist es richtig, dass noch in diesem Monat die Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer Grüngutkonzeption ihre Arbeit aufnimmt.
Die FDP/FUR Fraktion unterstützt den zur Chefsache eingeschlagenen Kurs bei der Abfallwirtschaft, der nach unserer Auffassung mit großer Transparenz und lösungsorientierter Sachlichkeit geführt wird. Wir begrüßen das Ziel der Gebührenstabilität, auch wenn manche Erhöhungen nicht zu verhindern sind, um dem Verursacherprinzip Rechnung zu tragen. Erfolgsmodelle wie den Wertstoff-Hof gilt es langfristig flächendeckend im gesamten Landkreis auszubauen.
Klinikum
Die FDP/FUR Fraktion unterstützt die Entscheidung des Stadtrates von Rastatt am 7.5.23 einen Bürgerentscheid über den Klinikstandort durchzuführen.
Wir hoffen im Interesse der Patienten, mit einem klaren Votum für den Standort Münchfeldsee einen entscheidenden Schritt weiter in Richtung Zentralklinikum kommen und in die Verhandlungen über die zukünftige Klinikstruktur und einem Finanzierungskonzept mit Baden-Baden eintreten können.
Es kann nicht im Interesse der medizinischen Versorgung der gesamten Bevölkerung im Landkreis sein, dass der Bebauungsplan am Münchfeldsee abgelehnt wird, muss doch jedem Bürger in Rastatt klar sein, dass eine Ablehnung des Standortes Münchfeldsee nicht automatisch zu einem Standort Merzeau führen wird. Es besteht die reale Gefahr, dass das Bewerbungsverfahren von vorne beginnt und die Bevölkerung 5 Jahre länger warten muss, bis unser kommunales Klinikum weiter geplant und gebaut werden kann. Die bisherige Situation ist ein unerträglicher Zustand, angefangen von den vielen Patienten Transporten bis zum katastrophalen Mangel an Ärzten und Pflegefachkräften. So wurde doch jetzt schon die Notaufnahme in Bühl am Abend wegen Personalmangel geschlossen.
Wir wollen und brauchen dieses zentrale Klinikum in kommunaler Hand, und es muss schnell kommen. Dass dies funktioniert zeigt ein Blick über die Kreisgrenze. Wir erwarten daher, dass Landkreis und Klinikum vor dem Bürgerentscheid entschieden für den Standort Münchfeldsee eintreten und über die Gründe für die Entscheidung und die Folgen einer Ablehnung des Standortes informieren.
Die FDP/FUR Fraktion trägt den jährlichen Verlustausgleich und den notwendigen Investitionsausgleich für die Sicherstellung des Betriebes mit. Hier mahnen wir aber die Gleichbehandlung der Kliniken Baden-Baden/Bühl und Rastatt an.
Fachkräftemangel
Der Erhalt, der Ausbau oder sogar die Wahl eines Unternehmensstandortes ist immer häufiger abhängig von der Verfügbarkeit von Fachkräften vor Ort. Dies spiegelt sich auch in den stabilen Zahlen des Arbeitsmarktes im Landkreis wider und führt wie in vielen Regionen zu einem großen Hemmnis in der wirtschaftlichen Entwicklung und Wertschöpfung. Das Wettrennen um die Fachkräfte hat längst begonnen, wie wir es auch selbst wahrnehmen hier in der Landkreisverwaltung.
Ohne diese Fachkräfte können wir den Klimawandel nicht bewältigen, wir können Innovation und Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und unseren Wohlstand nicht erhalten. Wir brauchen also qualifizierte und effektive Einwanderung In den Arbeitsmarkt. Auch wenn hier die Rahmenbedingungen fast ausschließlich durch Land und Bund vorgegeben werden, hat der Landkreis wesentlichen Einfluss durch die Schaffung der weichen Faktoren. Dies sind die Förderung durch Sprachkurse, soziale Beratung und Betreuung, Aus- und Weiterbildung, das Bildungsangebot, die Bereitstellung des ÖPNV und die Förderung des Wohnungsbaues.
So sind Maßnahmen wie die Erhöhung der Frauenerwerbsquote durch deutliche Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bis zu einer Verbesserung und Optimierung der Lebensbedingungen und das Einpendeln in unseren Landkreis Rastatt zu ergreifen und zu unterstützen. Hier fordern wir mehr Aktivitäten der Wirtschaftsregion Mittelbaden. Wir fordern eine bessere Vernetzung der Wirtschaftsförderer und Gründerzentren untereinander. So sind die Aktivitäten und die Sichtbarkeit auf allen verfügbaren Portalen im Internet deutlich zu erhöhen. Wir wollen damit nicht nur Jugendliche, sondern auch Arbeitssuchende, Rückkehrer und Wiedereinsteiger über Betriebe und Wirtschaftszweige im Landkreis informieren. Wir sollten eine Kampagne ins Leben rufen, die junge Menschen, die nach der Schule die Region mangels passender Hochschul- und Ausbildungsplätzen verlassen haben wieder in den Arbeitsmarkt ihrer Heimatregion zurückholen. Allerdings machen diese Maßnahmen nur Sinn, wenn der ÖPNV weiter attraktiv ausgebaut bzw. optimiert wird und mit den Kommunen im Landkreis ein Konzept zur Wohnraumversorgung erarbeitet wird, um daraus Handlungsempfehlungen zu erhalten. Nur so kommen wir bei der Fachkräftegewinnung weiter.
Klima
Hervorgerufen durch berechtigte Forderungen kommender Generationen und aus Konsequenz der geopolitischen Ereignisse sind wir verpflichtet als politisch Handelnde die Klimaziele weiter zu entwickeln und zu beschließen.
Zentrale Rolle spielt hierbei die Verwaltung des Landkreises und die Energieagentur Mittelbaden. So sind die geplanten großen Investitionen mit PV-Anlagen der Gewerbeschule Bühl und zum Beispiel bei der Anne-Frank-Schule für die Klimaziele erfreulich, ja dringend erforderlich. Weiterhin müssen dringend alle Dächer auf Gebäuden des Landkreises soweit möglich mit PV-Anlagen bestückt und die E-Ladestruktur vorangetrieben werden. Die FDP/FUR Fraktion begrüßt die Veranstaltungen der Energieagentur für Klimaschutz und Energieeffizienz ob in der Fläche mit der Landkreisbevölkerung oder in Einzelberatungen in den Verwaltungen der Landkreis-Kommunen als wichtigen Beitrag für die Klimaziele. Wollen wir die Klimaziele durch Windkraft oder PV-Anlagen, ob schwimmend, in der Landwirtschaft, in der Fläche oder auf Dächern nur annährend erreichen, so benötigen wir erheblich schnellere Genehmigungen. Hier gilt es in der Verwaltung, die Strukturen zu schaffen und vorbereitet zu sein. Für die Betriebe in der Industrie, im Handel oder im Handwerk fordert die FDP/FUR Fraktion mittelfristig einen Klima Lotsen, der hier Hilfestellungen gibt und bei Anträgen die Koordinierung zwischen den einzelnen Behörden herstellt und bis zur Genehmigung und Ausführung begleitet.
Schluss und Fazit
FDP/FUR Fraktion stimmt dem Gesamthaushalt mit den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe Abfallwirtschaft und Breitband und dem Stellenplan zu. Wir bestätigen ebenfalls den unveränderten Hebesatz von 28,5 v. H. der Kreisumlage. Positiv ist dabei zu vermerken das im laufenden Haushaltsjahr auf eine Kreditaufnahme verzichtet wird und weiter am Abbau der Verschuldung um ca. 4 Millionen Euro festgehalten wird, auch wenn am Jahresende mit einem Haushaltsdefizit gerechnet wird.
Die FDP/FUR Fraktion trägt den wieder aufgenommenen Dialog Politik-Verwaltung im Rahmen des Projektes 2030 und begrüßt die weiteren Schritte.
Sehr geehrter Landrat Herr Prof. Dr. Christian Dusch,
Wir bedanken uns bei ihrem gesamten Team für die sehr gute Zusammenarbeit sowie bei den Kollegen und Kolleginnen des Kreistages für den respektvollen Umgang miteinander.
Es gilt das gesprochene Wort.
Lutz Jäckel Bühl den 12.02.2023
FDP/FUR Fraktion